Natur von außen bis nach innen

Holzhaus in Gräfelfing setzt neue Maßstäbe bei Konstruktion und Nachhaltigkeit

Bild: pixabay

Holz gilt als ein Baustoff der Zukunft. Im Gegensatz zu Beton und dessen Zentralbe-standteil Zement, der bei der Herstellung enorme Mengen an CO2 freisetzt, wächst dieser Baustoff natürlich nach und entzieht der Atmosphäre sogar im verbauten Zustand noch das entsprechende klimaschädliche Gas. Doch Holz ist noch viel mehr, das zeigt aktuell eine Baustelle in Gräfelfing bei München.

„Man kann lange konstruieren“ Michael Freilinger ist mehr als ein Bauunternehmer. Mit seiner Münchner Firma bietet er schlüsselfertige Häuser und Wohnungen an – und die vorzugsweise aus Holz. Aber Freilin-ger geht es um mehr, das merkt man, wenn er über seine Arbeit spricht. Er ist neben seiner Qualifikation als Diplom-Ingenieur noch studierter Architekt, ein Künstler, dessen Augen leuchten, wenn er die Mög-lichkeiten beim Holzbau beschreibt. „Man kann lange konstruieren“, sagt der Bauherr des Gräfelfinger Projekts – und er meint damit nicht einen nie enden wollenden, mühsamen Prozess der Planung, sondern die Möglichkeiten, die einem beim Entwurf und Bau eines Holzhauses nicht ausgehen wollen.

„Wissen Sie, wenn ich mit Beton und Stahl baue, habe ich viel massivere Bauteile. Egal, wie filigran und spielerisch ich ein Gebäude aufziehen will, mir sind bei diesen Baustoffen als Architekt automatisch Grenzen gesetzt. Jede Säule, jede Stützvorrichtung ist sofort klobig“, erklärt Freilinger. Anders sei es beim Baustoff Holz. Hier sieht alles leicht aus, Formen und Funktionen können fließend gestaltet werden, vom übergroßen Fenster zur geschlossenen Wand und wieder zurück. Ebendiesen Eindruck macht auch das Gebäude in Gräfelfing. Direkt an dem kleinen Fluss, der Würm, gelegen, die durch das Ge-
meindegebiet fließt und schließlich im Starnberger See mündet, setzt Freilinger mit seinem Projekt in Holzständerbauweise (Skelettbau) die Idylle nahtlos fort und fängt sie zusätzlich gänzlich ein. Mehrere wand-hohe Fenster zur Flussseite hinaus bringen die äußere Natur ungefiltert ins Innere, während die Holzbegrenzungen drum herum die natürlichen Landschaftskomponenten betonen. „Man darf auch nicht die Wärme vergessen, die Holz auch im verbauten Zustand immer noch ausstrahlt. Das fügt sich ideal in die schöne Natur draußen“, sagt der Architekt.

Zwei Wohneinheiten direkt übereinander baut Freilinger hier – beide mit über 200 Quadratmetern Wohnfläche ausgestattet. Bis zum Winter dieses Jahres soll der Bau fertig werden. Das gewöhnliche System der Dop-pelhaushälfte vermied der Architekt hier bewusst – ist doch die Straße an der ande-ren Seite des Grundstücks laut und stark befahren. „Eines der Doppelhäuser hätte da den Kürzeren gezogen“, erklärt der Bauunternehmer. So baute man überein-ander, richtete die großen Fensteröffnungen Richtung Fluss und setzte Richtung Straße eine massive, mehrfach verklebte Holzwand.

Auf diese Weise sind auch Decken und Wände konstruiert. „Mit Holz können Sie etwa im Bereich Lärm- und Trittschallschutz genauso funktional bauen wie mit Beton – und teilweise sogar besser“, erklärt Freilinger. Das zweistöckige Gebäude wird dabei komplett aus Fichten- und Tannenholz gebaut, allein das Fundament ist – aus Gründen der Statik unvermeidbar – aus Beton gegossen. Das Holz kommt dabei aus Südtirol. Generell geht es Freilinger dabei längst nicht allein um Aussehen und Funktion: Das Thema Nachhaltigkeit wird bei dem Bauunternehmer groß geschrieben. So ist das Holzhaus nicht nur aufgrund der verwendeten Baustoffe nachhaltig, zu alldem gesellt sich modernste regenerative Heiztechnik. Zwei Grundwasserbrunnen bohrte die Firma auf dem Grundstück, um eine Grundwasserwärmepumpe mit höchs-ter Energieeffizienz installieren zu können „Doch die beste Wärmepumpe hilft Ihnen nichts, wenn nicht die entsprechenden Gegebenheiten im Haus vorhanden sind“, erklärt Freilinger. So soll das Haus nach Fertigstellung einen der höchsten Energiestandards in Deutschland erfüllen, mit einer Dämmung aus Holzfaserstoffen und einer modernen Fußbodenheizung, die –extra eng im Boden verlegt – nur eine niedrige Vorlauftemperatur benötigt, um das Gebäude effektiv zu heizen.

Dachgarten sorgt für Wetterschutz

Doch als wäre dies nicht schon der Nachhaltigkeit genug, setzt der Architekt im wortwörtlichen Sinne „noch einen oben drauf“. Auf dem Flachdach der oberen Wohneinheit wird ein Dachgarten installiert. Der sorgt so in Zukunft nicht nur für zusätzliche Idylle, sondern schützt auch vor starker Hitze sowie ebensolchen Re- genfällen in der heißen Jahreszeit und filtert nebenbei noch CO2 aus der Luft. Genauso wie das gesamte Haus. Eine perfekte Symbiose, wenn man so will, die ebenso ideal in die Zeit wie an das lauschige Ufer der Würm passt. Christoph Kastenbauer