Grünes Netz vor blauem Himmel

Ein Netz aus Kletterpflanzen über der Münchner Fußgängerzone? Aktuell wird dieses Konzept von der Stadt geprüft. Visualisierung: RATAPLAN

Die Stadt München prüft aktuell ein neues Konzept zur Verschattung

Die deutschen Metropolen sind im Sommer wahre Hitzeöfen: Die hohe Betonversiegelung heizt sich von der Sonne auf und wirft die Wärme doppelt auf den Passanten zurück, viele Plätze und Straßen sind zudem nur notdürftig verschattet. Dieser Zustand dürfte sich in Zukunft im Zuge des Klimawandels weiter verschärfen. Viele Großstädte wie auch die bayerische Landeshauptstadt suchen deshalb nach Abhilfe. Natürliche Verschattungslösungen wie vor allem Bäume gelten hier als effizientes Instrument.
Das Problem: Bäume haben mit ihrem tief und weit reichendem Wurzelwerk oft nicht überall Platz – gerade, wenn es in der Innenstadt von U-Bahnschächten und Tiefgeragen nur so wimmelt. Zudem brauchen die Gehölze in der Regel etwa 20 bis 30 Jahre, bis sie stattlich gewachsen sind und damit ausreichend Schatten spenden können.

Natürliches, grünes Blätterdach

Eine neue Idee – die auch schon bei der CSU-Stadtratsfraktion Anklang gefunden hat – kommt aus Österreich. Das Wiener Architekturbüro Rataplan hat ein Konzept entworfen, bei der sich über ein Gerüst aus Seilen, Netzen und Säulen ein Geflecht aus Kletterpflanzen hoch- und entlangrangt – und so ein natürliches, grünes Blätterdach erzeugt. „Kletterpflanzen wachsen bis zu fünfmal schneller als Bäume“, erklärt Architekt Gerhard Huber.
Auf diese Weise könnte man schnell und einfach ein kühles und angenehmes Mikroklima schaffen, das die Bewohner auch an heißen Tagen den Gang nach draußen deutlich erleichtert. 
Angestoßen von der CSU-Stadtratsfraktion liegt der Plan aktuell bei der Stadt München zur Prüfung. Gerade die Münchner Fußgängerzone – mit einer sehr geringen Verschattungsdichte sowie sehr wenigen und oft noch sehr jungen Bäumen – scheint den CSU-Mitgliedern hier ideal für einen möglichen Einsatz dieser Konstruktion. Trotz der einleuchtenden Vorteile muss man allerdings auch die Nachteile eines solchen Konzepts berücksichtigen. Die Pflanzen dürfen die Straßenbeleuchtung nicht beeinträchtigen, damit keine düsteren Angsträume entstehen. Die Rettungswege für die Feuerwehr darf die Stahlkonstruktion natürlich zu keiner Zeit einschränken – auch die oberen Etagen etwa müssen weiterhin jederzeit mit der Rettungsleiter erreichbar bleiben.
 
Genügend Licht für untere Stockwerke?

Zudem muss die Konstruktion verlässlich Wind und Schnee standhalten. Gerade in der stark bevölkerten Fußgängerzone könnte der Abgang eines Schneebretts verheerende Folgen haben. Außerdem sollten die Planer darauf achten, dass weiterhin genügend Licht in die unteren Stockwerke der benachbarten Gebäude fällt. Und bei der Wahl der Pflanzen müssen die Verantwortlichen genau prüfen, welche für die örtlichen Gegebenheiten geeignet sind.
Diese Hindernisse bei der Umsetzung des Konzepts sieht auch das Wiener Architekturbüro. So haben die Architekten bereits erlebt, dass sich etwa manche Hausbesitzer weigern, solche Netze an ihre Gebäude befestigen zu lassen. Auch für die Behörden seien solche Strukturen im öffentlichen Raum noch weitgehend Neuland. Doch Architekt Huber gibt sich kämpferisch: „An dieser Stelle könnten wir resignieren und alle Bemühungen aufgeben – aber das tun wir nicht.“ Denn am Ende überwiegt das Festhalten an der Vision, wie Huber noch einmal bekräftigt: „Ein grünes Netzwerk könnte sich durch die Stadt ziehen und angenehme Aufenthaltsbereiche für Menschen und Tiere bieten.“ Und wer weiß, vielleicht bald auch in der bayerischen Landeshauptstadt.  Christoph Kastenbauer