Wie praktikabel ist hierzulande günstiges Bauen?
Der Neubau geht in Deutschland nicht schnell genug voran. Die Folge ist ein Wohnungsmangel, der gerade in Großstädten immer größer wird und so die Situation am Mietmarkt verschärft. Die Gründe liegen dabei nicht nur in den Folgen der leidlich bekannten weltpolitischen Verwerfungen, sondern auch in einem doch sehr hausgemachten Problem. Denn der Mensch hierzulande mag es gern gründlich und von bester Qualität. Ob diese einst geschätzten Eigenschaften dabei einem zügigen Bau neuer Wohnungen entgegensteht, wird in der Baubranche heiß diskutiert.
Komfort wurde zum Leistungsmerkmal
Auch die Deutsche Gesellschaft für Mauerwerks- und Wohnungsbau mischt in dieser Diskussion immer stärker mit. Deren Geschäftsführer Christian Bruch verweist im Rahmen eines Pressemitteilung zwar auf das einerseits verständliche Motto einer Gesellschaft nach Optimierung und Wachstum: „Übersetzt für die Baustoffbranche war das in den letzten Jahrzehnten das Streben nach immer besseren Produkten. Ihre Verwendung sollte den Gebäuden die Erfüllung immer höherer Anforderungen an mechanische Festigkeit und Standsicherheit, Brandschutz, Hygiene, Gesundheit und Umweltschutz ermöglichen. Um die Markstellung zu verbessern, wurden nicht nur die Auswirkungen auf Grundanforderungen, sondern auch die Erfüllung von Komfortansprüchen zu Leistungsmerkmalen von Bauprodukten.“ Genau darin liegt allerdings laut Bruch das Problem – dass aus Komfort ein Leistungsmerkmal wurde. Bauunternehmer unterliegen bei ihrer Arbeit heutzutage zahlreichen DIN-Normen, sogenannten „anerkannten Regeln der Technik“, von deren viele an sich nicht rechtlich bindend sind, bei dessen Nichtbeachtung allerdings ein Gebäude als „mangelhaft“ gilt.
Diese Normen aufzulockern, indem man unterscheidet zwischen Notwendigkeit und Komfort, darum ringt man aktuell in der Branche. Denn dieser „Komfort“ wurde laut Bruch in den guten Zeiten über niedrige Bauzinsen und staatliche Subventionen finanziert – ein Qualitätsstandard, der heute kaum mehr leistbar ist. Bruch gibt dazu ein konkretes Beispiel: So habe der Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft für zeitgemäßes Bauen, Professor Dietmar Walberg, auf dem jüngsten Wohnungsbau-Tag vorgerechnet, dass der Status quo bei Herstellungskosten von circa 4079 Euro je Quadratmeter Wohnfläche liegt, obwohl zur Erfüllung der Mindestanforderungen ein Betrag von 2719 Euro ausreichen würde. Um das Bauen in dieser Richtung günstiger zu machen, will die Bundesregierung den Gebäudetyp „E“ einführen – eine Art gesetzlich geregelte Ausnahme von allzu hohen Baustandards. Ob diese Regelung auch in der Praxis funktioniert, müsse man laut Bruch allerdings noch abwarten. Für den Erfolg der neuen Gesetzgebung werde ausschlaggebend sein, ob auch der Endverbraucher an den Gebäudetyp E gebunden werden kann. Denn eines darf man wohl annehmen: Auf Komfort und hohe Standards werden die wenigsten verzichten wollen. CHRISTOPH KASTENBAUER