Vergleich mit den 1980er-Jahren erstaunt, ist aber umstritten
Miese Stimmung gleich miese Situation? Die Baubranche vermeldet gravierende Nachfragerückgänge, da immer weniger Menschen sich heutzutage noch ein Eigenheim leisten können. Doch ist es tatsächlich eine Frage des Könnens oder am Ende nur eine des Wollens? Daten der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) weisen eher auf Letzteres hin. Sie zeigen, dass es heute sogar leichter ist, an ein eigenes Haus zu kommen als in den 1980er-Jahren. Der Erschwinglichkeitsindex, den die OECD auf Basis von Immobilienpreisen und Einkommen berechnet hat, sinkt seit einigen Jahren.
Niedrigere Zinsen als vor 40 Jahren
Zwar haben laut der OECD-Analyse die Immobilienpreise seit 1980 um 160 Prozent zugelegt. Rechnet man allerdings die Inflation mit ein, sind die realen Hauspreise nur um 15,5 Prozent gestiegen. Im gleichen Zeitraum haben die verfügbaren Realeinkommen jedoch um 41 Prozent zugenommen.
Ein weiterer Faktor sind die Bauzinsen. Zwar sind diese aktuell aufgrund der Inflation und allgemeinen Krisenlage – um zuvor nahe Null – auf um die vier Prozent hochgeschnellt. Aber: „Verglichen mit den 1980er-Jahren ist das heutige Zinsniveau nach wie vor relativ niedrig. Zu dieser Zeit waren Bauzinsen um die zehn Prozent oder darüber keine Seltenheit“, erklärt Jörg Utecht vom Finanzierungsvermittler Interhyp. Doch was sind dann die Gründe für die Misere im Gebäudesektor, während in den 1980er-Jahren die Nachfrage nach Immobilien konstant nach oben ging? Marktforscher Stephan Kippes vom Immobilienverband Deutschland (IVD) Süd sieht hier vor allem die aktuelle Stimmung im Land verantwortlich. „In den 80ern ging es aufwärts, die Leute hatten Vertrauen in die Zukunft und wollten in diese auch investieren.“ Genau dieses Vertrauen fehle jetzt im Angesicht von immer neuen Katastrophenmeldungen.
Was damit eng zusammenhängt: Die Bereitschaft, für den Traum des Eigenheims auch Opfer zu bringen. „Die Leute waren damals oft heroisch in ihrem Konsumverzicht. Da wurde lieber nicht in den Urlaub gefahren oder auf ein neues Auto verzichtet, anstatt die Finanzierung der eigenen vier Wände zu gefährden“, erklärt Kippes. Diese Opferbereitschaft sei heute in der Bevölkerung noch nicht angekommen, die Gewöhnung an die neue schwierige Ausgangslage mit den höheren Bauzinsen noch nicht abgeschlossen. Doch auch an der repräsentativen Aussagekraft der Studie regen sich bei dem Marktforscher Zweifel. So beruhen die Zahlen der OECD allein auf Durchschnittswerten – Unterschiede, etwa zwischen dem oft günstigeren Land und eher teuren Metropolen, sind hier nicht eingepreist. „In München, Berlin oder Hamburg haben die Preise in den vergangenen Jahrzehnten deutlich mehr angezogen“, sagt Kippes. Die neuen Bundesländer - mit heute vielerorts sehr günstigem Bauland – verwässerten die Ergebnisse zusätzlich. Sie kamen bekanntlich erst 1990 hinzu. Christoph Kastenbauer