Klimaanlage ohne Energieverbrauch

Inspirationen aus den Vereingten Arabischen Emiraten

Mit Emiraten (VAE) verbinden die einen protzige Hotelanlagen, andere wiederum eine reine Wüstenland-schaft mit wenig Kultur und Infrastruktur. Was viele nicht wissen: Die Emirate sind gerade im Bereich der erneuerbaren Energien extrem fortschrittlich – und in der reichhaltigen Baukultur finden sich Innovationen, die auch für den modernen westlichen Standard einige Inspirationen bereithalten. Erneuerbare Energien sollen in Deutschland im Gebäudebereich immer stärker gefördert werden. In den VAE ist man hier bereits einen Schritt weiter. Aktuell entsteht in Dubai mit insgesamt 44 Quadratkilometern das bislang größte freistehende Solarprojekt der Welt. Bereits das Vorgängerprojekt ist das aktuell weltweit größte Solarkraftwerk mit einer Produktionskapazität von 1177 Megawatt, bei dem aktuellen Bau wird die Photovoltaik-Kraftwerksleistung auf einen Schlag fast verdoppelt.

Klimafreundliche Konzepte aus derVergangenheit

Doch auch wenn man weit in die Vergangenheit der Emirate zurückgeht, findet man klimafreundliche Konzepte. Auf ein besonders interessantes stößt man in der „Geisterstadt“ Al Jazirah Al Hamra im nördlichsten Emirat Ras Al Khaimah. Es ist in der Golfregion das einzige verbliebene historische Dorf. Aufgrund wirtschaftlicher Not in den 1960er-Jahren verlassen, wurde das Dorf schließlich von der dort herrschenden Scheichfamilie unter Denkmalschutz gestellt. Neben Kunstausstellungen finden sich in den verlassenen Gebäuden traditionelle Konzepte für Lüftung und Kühlung der Innenräume – in der Wüstenregion eine geradezu existenzielle Notwendigkeit. „Im Sommer herrschen hier 40, 50 Grad, bei einer Luftfeuchtigkeit von 70, 80 Prozent. Ohne wirksame Gegenmittel konnte man auch früher hier nicht überleben“, sagt Christian Velde. Der deutsche Archäologe arbeitet seit über 30 Jahren in Ras Al Khaimah. Der Wissenschaftler leitet dabei auch regelmäßige Führungen durch Al Jazirah Al Hamra. „Um sich vor dieser tödlichen Hitze zu schützen, installierten hier findige Bauingenieure Kühlungsanlagen ohne den Einsatz jeglicher Elektrizität“, führt Velde aus. Beispiel ist hier der „Badgir“, ein sogenannter Windturm, den sich wohlhabende Einwohner des Dorfes in ihrem Sommerhaus installierten. Velde erklärt deren Funktion - den ledernen Indiana-Jones-Hut tief in die Stirn gezogen – im schattigen Halbdunkel des Raums und deutet auf drei rechteckige Schächte in der Zimmerdecke, bei denen glatte Steinwände vertikal nach oben führen. Oben hat jeder Schacht eine breite Öffnung. Zug- und Kamineffekte sorgen hier selbst bei Windstille für ein erstaunliches Kühlungsergebnis. „Wenn Sie im Keller eines Hauses solche Luftschächte nach oben führen, kühlen die den Raum bei 50 Grad Außentemperatur auf bis zu 18 Grad runter“, sagt Velde. Und tatsächlich: Direkt unter dem Schacht hat man das Gefühl unter einer voll aufgedrehten Klimaanlage zu stehen – und das bei null Prozent Energieverbrauch.
Christoph Kastenbauer