Nichts gelernt

Trotz gewaltiger Schäden stagniert bundesweit der Hochwasserschutz

Zwei Jahre nach der verheerenden Flutkatastrophe im Ahrtal säumen immer noch zahlreiche zerstörte Häuser die Uferpromenade des aktuell ruhig vor sich hin plätschernden gleichnamigen Flusses. Während die deutsche Versicherungswirtschaft davon ausgeht, dass alle betroffenen Hausbesitzer Geld von ihrer Versicherung bekommen haben, ist das längst nicht das letzte Kapital dieser Schreckensgeschichte. Denn während alte Wunden langsam heilen, können neue jederzeit aufbrechen – wenn beispielsweise die ruhige Idylle der Ahr sich wieder in einen reißenden Strom verwandelt.

Wiederaufbau verzögert sich

„Bislang haben die Versicherungsunternehmen 6,7 Milliarden der 8,4 Milliarden Euro Gesamtschaden für die Sachversicherung an betroffene Kunden ausgezahlt“, sagt Jörg Asmussen, Hauptgeschäftsführer des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV).

„Natürlich hätten wir uns gewünscht, dass jede und jeder Betroffene möglichst rasch die komplette Versicherungsleistung bekommt. Aber die Schadensregulierung kann eben nur so schnell sein wie der Wiederaufbau.“ Und an diesem Wiederaufbau hakt es und dies betrifft nicht nur die noch zahlreich vorhandenen Hausruinen. Die hier lebenden Menschen sind verunsichert, der Wiederaufbau der idyllischen Orte im Ahrtal scheitert auch an mangelndem Vertrauen in die Politik. Denn während Versicherungsgelder die aktuellen Schäden mühsam flicken, scheinen Bundesund Landesregierungen den potenziell drohenden Neuschäden kein besonderes Gewicht beizumessen. „Die Ahr hat uns gezeigt, wo sie natürlicherweise entlang fließt. Doch statt das zum Teil neu entstandene Flussbett zu erhalten, wurde das Gewässer wieder ins alte Bett gezwungen“, kritisiert Sabine Yacoub, Landesvorsitzende des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) in Rheinland-Pfalz, die zuständigen Behörden. Statt auf Prävention und ökologischen Hochwasserschutz zu setzen, passiere laut BUND teils das Gegenteil. „Streckenweise wurde das Flussbett sogar noch weiter eingeengt, sodass die Ahr jetzt vielerorts naturferner ist als vorher. Das ist tragisch für den Naturschutz und fatal für den Hochwasserschutz“, erklärt Yacoub.

Der Umweltverband sieht dabei Versäumnisse der Politik im gesamten Bundesgebiet. So müsse eine wichtige Lehre aus der Katastrophe sein, dass in möglichen Überschwemmungsarealen nicht mehr gebaut wird. „Doch Gemeinden planen Baugebiete noch immer mitten in solche Gebiete“, so Yacoub. Vielerorts fehlten Überschwemmungszonen, hätten Böden ihre Schwammfunktion verloren und würden große Flächen rücksichtslos versiegelt. Darauf weist auch Olaf Bandt hin, Vorsitzender von BUND Deutschland: „Angesichts vieler folgenreicher Eingriffe in die Natur ist eine neue Katastrophe leider nur eine Frage der Zeit.“ Christoph Kastenbauer