Pandemie ohne Folgen

Prognostizierte Wohnentwicklungen bleiben weitgehend aus

Während der Corona-Krise warfen Immobilienexperten aus ganz Deutschland geradezu verschwenderisch mit dem Begriff der „Counterurbanisierung“ um sich: Auf der Flucht vor dem Virus würde es die Massen aus der Stadt und auf das mit reichlich Abstandsflächen ausgestattete Land treiben. Nun, am wohl bald eintretenden Ende der Pandemie, ist von diesen Vorhersagen kaum etwas eingetreten.

Kaum Bewegung zwischen Stadt und Land

Für den Europa-Wohnimmobilien-Trendreport befragte etwa das größte Maklernetzwerk Deutschlands, Remax Germany, rund 16000 Personen zwischen 18 und 65 Jahren zu den aktuellen Entwicklungen auf dem Immobilienmarkt. Bei der Frage „Überlegen Sie, von der Stadt aufs Land zu ziehen oder umgekehrt?“ wird deutlich: Große Bewegungen gibt es weder auf der einen noch der anderen Seite. Rund zwei Drittel der befragten Landbewohner wollen ihre Wohnsituation nicht verändern, bei Stadt- bewohnern sind es sogar mehr als 80 Prozent. „Die Pandemie hat ihren Schrecken verloren“, stellt auch Kurt Friedl, CEO von Remax Germany, fest. Längst überwögen wieder die üblichen Vor- und Nachteile bei der Entscheidung des Wohnumfelds. So suchten Menschen auf dem Land hauptsächlich die Nähe zur Natur (69,2 Prozent) und mehr Privatsphäre (50,3 Prozent), während man in der Stadt die bessere Infrastruktur (54 Prozent) und die größere Vielfalt (36,2 Prozent) wertschätzt.

Ein weiterer Faktor, warum Experten auch nach Ende der Pandemie eine Bevölkerungsverschiebung Richtung Land prognostizierten, war die Etablierung des Homeoffice: Über den Wegfall der notwendigen räumlichen Nähe zum Arbeitsplatz würden viele sich etas aufgrund eines günstigeren und größeren Wohnraums für das Landleben entscheiden. Tatsächlich spielt dieser Faktor eine eher untergeordnete Rolle: Nur 15,1 Prozent der Befragten gaben die Möglichkeit des Arbeitens von zu Hause als be-deutenden Faktor für einen potenziellen Umzug aufs Land an.

Dennoch: Die drei Jahre Pandemie haben einen zwar geringen, aber durchaus messbaren Effekt bei der individuellen Wohnentscheidung hinterlassen. Laut einer Erhebung des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung (BIB) von Ende 2022 stieg die Zahl der Fortzüge aus Großstädten und Metropolen im Vergleich zum vorpandemischen Jahr 2019 um 1,8 Prozent. Eine Zahl, die allerdings deutlich niedriger ausfällt, als während der Corona-Krise vermutet. Zudem spielen bei der Stadtflucht auch Gründe wie hohe Mieten und Wohnraummangel – ganz unabhängig von der Pandemie – eine Rolle. Oder, wie es Marktforscher Stephan Kippes vom Immobi- lienverein Deutschland Süd ausdrückt: „Die Menschen gehen eine Bindung zu ihrer Umgebung ein, sie haben Freunde, der Nachwuchs fühlt sich im Kindergarten wohl, der Sportverein ist um die Ecke.“ Eine zeitlich begrenzte Pandemie spiele da als Umzugsgrund keine entscheidende Rolle. Christoph Kastenbauer