Gut gemeinte Baustoffverordnung zeigt negative Auswirkungen
Mit über 220 Millionen Tonnen pro Jahr verursachen mineralische Bauabfälle hierzulande den meisten Müll. Diese wären zwar – und das häufig ohne Qualitätsverlust – zu weiten Teilen wiederverwendbar. Recycling auf deutschen Baustellen findet dennoch kaum statt. Um hier gegenzusteuern, verabschiedete der Bund vor einem Jahr die Ersatzbaustoffverordnung (EBV). Diese sollte die Kreislaufwirtschaft am Bau fördern und den Einsatz von Recyclingbaustoffen erhöhen. Passiert ist seitdem leider wenig. Im Gegenteil: Die EBV scheint sich sogar negativ auf die Recyclingbereitschaft der Baufirmen auszuwirken.
Weniger Wiederverwertung
Im Rahmen einer aktuellen Umfrage von vier Bau- und Recyclingverbänden unter ihren Mitgliedsunternehmen gaben nur fünf Prozent der Befragten (156 Firmen) an, dass seit der Einführung der neuen Verordnung mehr Bauschutt und Bodenaushub recycelt würden, 52 Prozent sahen keine Veränderung – und 42 Prozent der Betriebe erklärten, dass weniger für die Wiederverwertung aufgearbeitet werde als zuvor. An sich wollte die Bundesregierung den gegenteiligen Effekt erreichen: Die Verordnung garantiere laut des Ministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit „ein hohes Maß an Rechtssicherheit“, indem es eine bundesweite Regelung zur Verwertung von Ersatzbaustoffen aufstelle. Doch die gut gemeinte Maßnahme scheint hier im bürokratischen Eifer über das Ziel hinausgeschossen zu sein. Die EBV umfasst über 120 Seiten, vom Eignungsnachweis über Analytik der Proben bis hin zu Anzeigenpflichten des Bauschutts – ein juristisches Dickicht, das vielen Unternehmen über den Kopf wächst. So monieren laut der Umfrage viele Betriebe große Unsicherheiten bei der Umsetzung der Anforderungen in der Praxis und einen hohen bürokratischen Aufwand. Insbesondere die umfangreichen Dokumentationspflichten und Haftungsfragen führten demnach dazu, dass Ersatzbaustoffe nicht ausgeschrieben und stattdessen Primärbaustoffe genutzt würden. Als Hauptgrund nennen die Unternehmen zudem, dass die meisten Ersatzbaustoffe noch immer als Abfall klassifiziert werden müssen und nicht den Status eines Bauprodukts erhalten. Obwohl Recyclingbaustoffe laut Branchenvertretern qualitativ ebenso gut seien wie neue Baustoffe, schrecke der reine Begriff „Abfall“ viele Auftraggeber ab. Auch Länder und Kommunen wollen weiterhin in vielen Fällen nicht mit Recyclingmaterialien bauen, berichten die Unternehmen. Die Branche fordert deshalb eine rasche Modifikation der EBV vonseiten des Bundes. „Es ist dringend erforderlich, einfache, zeitnahe und unbürokratische Regelungen umzusetzen“, betont Andreas Pocha, Geschäftsführer des Deutschen Abbruchverbands. Insbesondere müsse rechtlich verankert werden, dass alle Ersatzbaustoffe der EBV einen vollwertigen Produktstatus erlangen können – und nicht mehr, als Abfall bezeichnet, letzten Endes tatsächlich auf dem Müll landen. CHRISTOPH KASTENBAUER