Reform mit Schlagseite

Bewertungskriterien der neuen Grundsteuer sind juristisch angreifbar

Die Probleme rund um die Reform des Grundsteuerrechts gehen in die nächste Runde. Immobilieneigentümer hatten hierzulande vergangenes Jahr 36 Millionen Grundstücke neu zu deklarieren – was nur mit mehreren Fristverlängerungen gelang. Abstürzende Bearbeitungsportale, Unterlagen im juristischen Fachchinesisch sowie das mühsame Zusammensuchen verschiedener Einzeldaten führten zu Chaos und Unmut innerhalb der Bevölkerung. Kaum sind die Erklärungen abgeben, droht nun den Finanzämtern das nächste Fiasko: Denn die so langsam bei den Eigentümern eintrudelnden Bescheide stoßen in vielen Fällen auf juristische Gegenwehr – und das nicht ohne Grund.

Bewertung nicht verfassungskonform?

So entschied letztens das Finanzgericht Rheinland-Pfalz im Falle zweier Einsprüche, dass die „angegriffenen Grundsteuerwertbescheide wegen ernstlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit auszusetzen“ sind. Das Gericht beurteilte hier vor allem die dem Bescheid zugrunde liegenden Bewertungskriterien als problematisch – und möglicherweise nicht als verfassungskonform. Dabei geht es vor allem um den Bodenrichtwert. Dieser Wert ist – wie der Name schon sagt – ein reiner Richtwert und daher für die Bemessung einer Steuer zu ungenau, so lautet jedenfalls der Einwand vieler Experten. Dadurch könnten im Einzelfall große Wertverzerrungen entstehen – auch zu Lasten des Steuerzahlers. Aktuell bezieht sich die Kritik auf Einzelfälle. Würde aber die Gerichtsbarkeit hierzulande das gesamte Bundesmodell letztlich für verfassungswidrig erklären, wäre dies ein weiterer Schlag für Bundeskanzler Olaf Scholz. Der hatte das Modell 2019 neu geregelt – als damaliger Bundesfinanzminister. Das Bundesmodell ist allerdings nur die Spitze des Eisbergs. Weit kritischer sehen Juristen wie etwa von dem Online-Portal „Die Grundsteuerscanner“ eigene Modelle der Bundesländer Bayern, Baden-Württemberg und Hamburg. Die Hansestadt etwa berechnet die Steuer nur aufgrund der Grundstücksfläche. Faktoren wie Art, Alter, Zustand sowie Ausstattung der Immobilie fallen hinten runter. „Ein zwölfstöckiges Hotel wird auf diese Weise genauso bewertet wie ein kleines Haus, wenn beide auf einer gleich großen Fläche stehen“, kritisiert das Online-Portal.

Komponente „Lage“ fehlt

In Bayern wiederum wird als Hauptproblem das Fehlen der Berechnungskomponente „Lage“ angesehen. Ein Haus in der Münchner Innenstadt würde so laut „Die Grundsteuerscanner“ vom Finanzamt ähnlich bewertet wie ein Haus am Stadtrand in einem wenig attraktiven Viertel. In Hamburg wiederum gibt es die Bewertungskomponente „Lage“, allerdings wird hier für den gesamten Stadtstaat nur in „gute“ und „normale“ Lage unterschieden, was wiederum viel zu ungenau sei. Eigentümer sind deshalb mal wieder gefordert – nach Erhalt des Bescheids bleibt ihnen ein Monat Zeit, um Einspruch zu erheben. Christoph Kastenbauer