EU-Rat stimmt für Kompromiss der Gebäudeenergieeffizienz-Richtlinie
Im Bau- und Wohnsektor sind viele Privatleute und Unternehmen von Handlungen und Nicht-Handlungen der regierenden Institutionen verunsichert. Förderungen wurden nicht verlängert, immer neue Regelungen und Verpflichtungen für den Hausbau sowie dessen Sanierung und Modernisierung geschaffen – und teils wieder verworfen. Ein weiteres Schreckensgespenst geisterte vergangenes Jahr von Seiten der Europäischen Union durch die Branche. So diskutierte das EU-Parlament eine Sanierungspflicht für die energetisch schlechtesten Gebäude. Nun atmet die Bauwirtschaft auf. Nach heftigem Widerstand – auch aus Deutschland – ist die Sanierungspflicht endgültig vom Tisch.
Vergangene Woche hat der EU-Rat dem Kompromiss zur Neufassung der EU-Gebäudeenergieeffizienz-Richtlinie zugestimmt. Anstelle individueller Sanierungspflichten für Wohngebäude treten nun allgemeine Vorgaben zur Reduktion des Energieverbrauchs über den gesamten Wohngebäudebestand. Lediglich für Nichtwohngebäude sind weiterhin Sanierungspflichten für die energetisch schlechtesten Nichtwohngebäude vorgesehen. Felix Pakleppa, Hauptgeschäftsführer des Zentralverbands Deutsches Baugewerbe, zeigte sich erleichtert: „Es ist gut, dass die Sanierungspflicht, wie von uns gefordert, vom Tisch ist. Sie hätte eine unzumutbare finanzielle Belastung für viele Immobilieneigentümer bedeutet und hätte die Akzeptanz der Wärmewende nach dem Hickhack zum Heizungsgesetz im vergangenen Jahr endgültig zerstört.“ Dem Kompromiss zufolge sollen die Mitgliedsstaaten den durchschnittlichen Primärenergieverbrauch des gesamten Wohngebäudebestands schrittweise reduzieren – bis 2030 um 16 Prozent und bis 2035 um 20 bis 22 Prozent. Wie sie dies erreichen, bleibt ihnen freigestellt.
Um hier dennoch einen Fokus auf die energetisch schlechtesten Wohngebäude zu legen, sollen diese mindestens 55 Prozent der erforderlichen Energieeinsparung liefern. Für Nichtwohngebäude plant die EU die Einführung eines Mindeststandards zur Sanierung der energetisch schlechtesten 16 Prozent des Bestandes bis 2030 und der ineffizientesten 26 Prozent bis 2033. Ausnahmen etwa für Baudenkmale sind möglich. Der Ausstieg aus mit fossilen Brennstoffen betriebenen Heizkesseln bis 2040 wird in der neuen Richtlinie lediglich noch als „indikatives Ziel“ beschrieben. Hier haben die Mitgliedsstaaten somit Spielräume zur Erreichung des Gesamtziels eines klimaneutralen Gebäudebestandes bis 2050. Interessant ist ein weiterer Punkt der Neuregelung: So wird ab 2030 erstmals die Berechnung und Darstellung des „Lebenszyklus-Treibhauspotenzials“ für alle Neubauten obligatorisch. Gerade für die Kreislaufwirtschaft ist dieser Punkt von Bedeutung. Denn bei der neuen Berechnung fließen nicht nur Parameter des konkreten Energieverbrauchs beim Bau und Bestand ein, sondern auch Faktoren der Entsorgung. Die Folge: Ein Gebäud, das besonders recycelfähig ist, dürfte in Zukunft als deutlich energieeffizienter gelten. Christoph Kastenbauer