Kauf-Interessenten dringend gesucht
Man kennt es aus deutschen Städten allzu gut: An Ampeln und Laternenpfählen kleben Gesuche für Häuser und Wohnungen. Familien, Ehepaare und Alleinstehende bieten sich – oft, wenn alle anderen Bewerbungen bereits gescheitert sind – in Form selbst gebastelter Entwürfe als die idealen Mieter an, betonen das feste Einkommen, stellen sich als ruhig, offen und höflich dar. Dass sich aktuell der Immobilienmarkt wandelt, sieht man daran, dass nun immer häufiger auch Gesuche der umgekehrten Art an den Laternenpfählen hängen. Nun sind es nicht mehr nur die, die Wohnraum suchen, sondern im Gegensatz jene, die Wohnraum anzubieten haben.
Ausverkaufsstimmung liegt in der Luft
Das hier abgebildete Fundstück stammt aus München. Der Verkäufer selbst wollte sich auf Anfrage nicht äußern – man fürchte Nachteile beim Verkauf. Tatsächlich scheinen bei Immobilienverkäufern auch an begehrten Standorten wie München, Hamburg oder Berlin die Sorgen größer zu werden, das eigene Haus oder die Eigentumswohnung noch gewinnbringend loszuwerden. Eine Art von Ausverkaufs- stimmung liegt in der Luft: Laut Zahlen des Marktforschungsinstituts Immobilienverein Deutschland (IVD) Süd stieg das Angebot von Wohnimmobilien zum Kauf im Januar 2023 in den sieben größten deutschen Städten um 33 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum an. Spitzenreiter ist hier die bayerische Lan- deshauptstadt mit einem Angebotsplus von 55 Prozent, dahinter folgen Berlin mit 36 und Hamburg mit 28 Prozent. „Der Turnaround bei den Hypotheken – das ist der Gamechancer“, sagt Professor Stephan Kippes, Leiter des IVD-Marktforschungsinstituts. Mittlerweile seien Bauzinsen um das vierfache höher als noch vor Beginn des Ukrainekriegs, was die Nachfrage auf dem Immobilienmarkt spürbar schwächt. „Den Nachfragerückgang sehen wir deutlich an der Zahl der Interessenten für ein Objekt. Diese ist im Verlauf des letzten Jahres erheblich zurückgegangen – für manche Objekte sogar um bis zu zwei Drittel“, sagt auch Florian Schüler von Postbank Immobilien. Die Folge: Verkäufer bekommen ihre Immobilien nicht mehr los – oder jedenfalls nicht mehr zu dem Betrag, den sie sich vorstellen. Denn natürlich sinken im Angesicht eines deutlichen Angebotsüberhangs auch die Preise. Laut Statistischem Bundesamt haben sich Wohnungen sowie Ein- und Zweifamilienhäuser im letzten Quartal 2022 so stark verbilligt wie seit 16 Jahren nicht mehr. Im Schnitt betrug der Preisrückgang bei Wohnimmobilien 3,6 Prozent im Ver-gleich zum Vorjahreszeitraum.
So bleibt vielen Anbietern schließlich nur noch der Weg zum Laternenpfahl, um dort auf die Entdeckung ihres Objekts von einem finanziell stark aufgestellten Liebhaber zu warten. Leichter dürfte es dabei auch in näherer Zukunft nicht werden, wie Kippes erklärt: „Die Stückzahlen der zum Kauf angebotenen Immobilien werden aktuell immer höher.“ Christoph Kastenbauer