Bio-Versionen sollen selbst CO2 aus der Luft filtern können
Holz gilt als der neue Baustoff schlechthin. Sein entscheidender Vorteil zu anderen Materialien: Er belastet bei der Herstellung die Atmosphäre nicht durch den Ausstoß von CO₂, sondern filtert während des Wachstums das schädliche Gas sogar aus der Luft. Diese besondere Fähigkeit könnten – dank des technologischen Fortschritts – allerdings bald auch andere Baustoffe erhalten, und hier vor allem der bisher als besonders umweltbelastend geltende Beton.
Acht Prozent der globalen CO₂-Emissionen
Herkömmlicher Beton verursacht bei der Herstellung aktuell etwa acht Prozent aller weltweiten CO₂-Emissionen. Verantwortlich dafür ist vor allem der Zement, der Hauptbestandteil des Baustoffes, der durch Erhitzen von Kalkstein und Ton produziert wird, was große Mengen CO₂ freisetzt. Weltweit entstehen jährlich mehr als vier Milliarden Tonnen Zement, was laut der Internationalen Energieagentur zur Erzeugung von rund
2,8 Milliarden Tonnen CO₂ führt.
Um diese Belastung zu reduzieren oder sogar umzukehren, laufen weltweite Forschungen aktuell auf Hochtouren. Spezieller Bio-Beton soll den Zementanteil verringern und so die CO₂-Belastung reduzieren. Ein neuer, revolutionärer Ansatz kommt nun noch dazu: Den Beton quasi „lebendig“ werden zu lassen. So haben Forscher des Fraunhofer-Instituts ein Verfahren entwickelt, bei dem photosynthetisch aktive Mikroorganismen in einer Nährlösung wachsen, dabei CO₂ direkt aus der Atmosphäre binden und in Kalziumcarbonat umwandeln. Dadurch entsteht eine Art „lebender“ Beton, der sogar selbstständig „atmet“ und weiter CO₂ speichert.
Ein weiterer Ansatz kommt aus den Niederlanden: Professor Henk Jonkers von der Technischen Universität Delft und sein Team forschen an einer Technologie, die kalkproduzierende, sich selbst regenerierende Mikroorganismen nutzt, um kleine Risse im Beton zu reparieren. Die kleinen, lebendigen Helfer in der Wand halten die Gebäudesubstanz somit fortwährend in Schuss – und verlängern auf diese Weise die Lebensdauer von Bauwerken deutlich. Dieser Ansatz spart dabei CO₂ vor allem aus einem Grund ein: Da Gebäude so deutlich langlebiger werden, fällt weniger Kohlenstoffdioxid für Abbruch und Neubau an.
Diese Innovationen scheinen dabei fast zu schön, um wahr zu sein. Tatsächlich wird es wohl noch einige Jahre dauern, bis solche Arten von Bio-Beton zum Baustandard werden. Die Skalierbarkeit ist ein wesentlicher Punkt – also die Kosten der Herstellung in eine verlässliche und rentable Größenordnung zu überführen. Weitere Herausforderungen betreffen die Langzeitstabilität und die Frost-Tau-Beständigkeit, die für viele Bauwerke in verschiedenen Klimazonen entscheidend sind. Doch diverse Testprojekte in Europa und Asien zeigen bereits vielversprechende Ergebnisse. Der „lebende“ Baustoff Beton ist real – wann er markttauglich wird, bleibt abzuwarten.
Christoph Kastenbauer