Zu klein? Oder doch zu groß?

Wohnraum in Deutschland ist immer ungleicher verteilt

In vielen Regionen Deutschlands wird der Wohnraum immer knapper. Neben der kriselnden Bauwirtschaft, die hochgesteckte Vorgaben der Bundesregierung wie 400 000 neue Wohnungen pro Jahr längst nicht mehr erfüllen kann, stehen auch bestimmte gesellschaftliche Entwicklungen hinter der Wohnraumproblematik. Die Schere zwischen Arm und Reich nimmt immer mehr zu – aber auch zwischen Alleinlebenden und Familien.

11,3 Prozent leben zu beengt

Oft konzentrieren sich gesellschaftliche Forderungen hierzulande vor allem auf schnelleren und effizienteren Wohnungsbau. Aber schneller und mehr dürfte nicht die einzige Lösung des Problems sein. Heutzutage leben immer mehr Menschen alleine oder zu zweit auf verhältnismäßig großen Wohnraum. Diese Menschen sind – gerade in begehrten und teuren Lagen wie in München, Hamburg oder Berlin - meist wohlhabender als der Durchschnitt der Bevölkerung, können sie sich doch die gerade für Einzelapartments in der Regel noch einmal höheren Mieten leisten. Der Durchschnitt der Bevölkerung lebt wiederum häufig zu beengt: Laut Statistischem Bundesamt wohnen heute 11,3 Prozent der Menschen in einer „überfüllten“ Wohnung. Als „überfüllt“ gilt, wenn die Wohnung aus weniger Zimmern als die Zahl der dort Lebenden besteht.

Es gibt auch jede Menge Platz

Nach einer Studie des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IDW) steigt mit der wachsenden Zahl der Single-Haushalte auch die durchschnittliche Wohnfläche, die der Mensch nutzt. Hatte ein Bundesbürger 1991 durchschnittlich 36 Quadratmeter für sich zur Verfügung, sind es heute etwa 46. Und Alleinlebende werden immer mehr: Im vergangenen Jahr lebte in knapp 41 Prozent der Haushalte nur ein Mensch. 1950 lag der Anteil nur bei knapp 19 Prozent. Wenn man nun die Entwicklungen zu immer mehr Wohnraum auf der einen Seite gegenüber den steigenden beengten Verhältnissen betrachtet, stößt man unweigerlich auch im Wohnsektor auf eine besorgniserregende soziale Entwicklung: Wohlhabende – und gerade alleinstehende – Menschen können sich immer mehr leisten, während manchmal selbst für Durchschnittsverdiener – und hier gerade für Familien – bestimmte Grundbedürfnisse, wie eben auch das Wohnen, schon zum Luxusgut werden. Wie und auf wie viel Platz man leben will, ist aber natürlich Privatsache – solange man das nötige Kleingeld dafür zur Verfügung hat. Alles, was dem Staat in dieser Hinsicht bleibt, ist es, Angebote zu machen. Landrat Josef Niedermaier aus dem teuren Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen in der beliebten Urlaubsregion des bayerischen Oberlands, plädiert etwa für mehr Mehrgenerationenprojekte. Alte Menschen, die vielfach noch allein auf großen Grundstücken vereinsamen, könnten auf diese Weise mit Familien in Kontakt kommen, für die wiederum mehr günstigerer Wohnraum entstünde. „Dann haben alle was davon“, so Landrat Niedermaier.
Christoph Kastenbauer