Mehr Neubau wegen Honorar?

Ingenieure kritisieren Aussage der Bundesbauministerin

Es war nur ein kurzer Absatz in einem Interview mit der „Zeit“, aber er sorgte bei Architekten und Ingenieuren deutschlandweit für Unmut. Um den Wohnungsbereich nachhaltiger und weniger CO2-intensiv zu gestalten, müsse das, was schon da sei, weiter genutzt werden, so Bundesbauministerin Klara Geywitz. Und, so schob sie hinterher: „Dazu muss sich ganz viel ändern. Unter anderem die Honorarordnung für Architekten und Ingenieure.“

„Wir kämpfen für den Erhalt der Bausubstanz“

Was die Ministerin wohl damit andeutete: Da über die aktuelle Honorarordnung durch Neubauten mehr Geld zu verdienen ist, würden diese von Architekten und Ingenieuren bevorzugt empfohlen und umge setzt. Um dies zu ändern, müsse man laut Geywitz kreative Leistungen in der Honorarordnung „mehr wertschätzen“. Eine Andeutung, die nicht generell gut ankommt. „Wir setzen uns vehement für den Erhalt der Bausubstanz ein“, betont Architekt Rainer Post, stellvertretender bayerischer Landesvorsitzender des Bundes Deutscher Architekten (BDA) und im Vorstand der Bayerischen Architektenkammer.

Auch Frank Jansen, Geschäftsführer Bauen und Gebäudetechnik des Vereins Deutscher Ingenieure, weist den unterschwelligen Vorwurf der Ministerin zurück: „Ingenieure können, sollen und wollen Klimaschutz vorantreiben.“ Die Branche propagiere nicht mehr Neubau, sondern entwickle im Gegenteil neue Technologien und Konzepte zur Umnutzung von Immobilien sowie zur Wiederverwendung von Baustoffen. In einem hat die Bundesministerin recht, das bestreiten weder Architekten noch Ingenieure.„Die Honorarordnung orientiert sich konkret an der Bausumme. Und beim Neubau ist diese in der Regel nun mal höher als beim Umbau“, sagt BDA-Pressesprecher Benedikt Hotze. Kreative Leistungen für Ingenieure und Architekten lohnenswerter zu gestalten, müsse man deshalb laut Post gutheißen. Dass aber die Berufsstände Einfluss auf die Entscheidung zwischen dem Erhalt eines Gebäudes oder seinem Abriss und Neubau nehmen würden, sei der falsche Ansatz. Denn diese Entscheidung würde vorher getroffen. „Ausschreibenden steht es frei, was sie ausschreiben – daher ist eine Verankerung der Verpflichtung, nachhaltig zu planen und zu bauen, in den Ausschreibungsverfahren wirkungsvoller als die Verankerung in der Honorarordnung“, erklärt Jansen. Handlungsbedarf sieht Architekt Post dagegen eher bei der Politik. So sei etwa das Baurecht dringend reformierungsbedürftig. Zulassungsvoraussetzungen für Umbauten sind laut dem Experten häufig so streng gefasst, dass sich die Ertüchtigung eines Bestandbaus finanziell nicht mehr lohnt.

„So muss man beispielsweise bei vielen älteren Gebäuden eine Geschossdecke aus Holz komplett austauschen, da sie nicht mehr aktuellen Brandschutzanforderungen entspricht.“ Der Abriss des Bestands wird hier nicht von Architekten oder Ingenieuren gefördert, wie Post erklärt: „Das aktuelle Baurecht begünstigt vielmehr den Neubau.“ Christoph Kastenbauer