Bild: pixabay
Forschungen belegen das Potenzial grüner Infrastruktur in Städten
Beton, Teer, Ziegel und Glas – diese Materialien herrschen vor allem in Großstädten vor, Grünflächen und Bäume sind vielerorts Mangelware. Dabei sind sie der Schlüssel zu einer besseren Anpassung an den Klimawandel, vor allem, wenn die Temperaturen im Sommer steigen. Denn dann entstehen in dicht bebauten Gebieten sogenannte Wärmeinseln, in denen erheblich höhere Temperaturen herrschen als in umliegenden suburbanen Gebieten mit mehr Grün und weniger dichter Bebauung. Vor allem nachts ist die Belastung hoch: Erholsamer Schlaf ist dann kaum möglich, wenn man sich schwitzend im Bett hin- und herwälzt.
Temperaturen über 30 Grad
Ein Forschungsteam unter Federführung der TU München (TUM) hat über einen Zeitraum von drei Jahren in Würzburg das Ausmaß städtischer Wärmeinseln sowie den Zusammenhang zwischen tages- und jahreszeitlichem Wärmestress im Freien untersucht. Das Fazit:
Die mittlere Lufttemperatur war an innerstädtischen Standorten im Vergleich zu suburbanen Standorten im Sommer um 1,3 Grad Celsius und im Winter um fünf Grad Celsius höher. „Die Unterschiede wurden durch die Dichte der Bebauung und die Flächenversiegelung beeinflusst“, sagt Stephan Pauleit vom Lehrstuhl für Strategie und Management der Landschaftsentwicklung an der TUM.
An einem innerstädtischen Marktplatz, auf dem kein Baum steht, wurden innerhalb der drei Forschungsjahre insgesamt 97 Tage gezählt, an denen die Lufttemperatur mehr als 30 Grad Celsius betrug. Auch die sogenannte Feuchtkugeltemperatur, welche die tiefste Temperatur angibt, die sich durch Verdunstungskühlung erreichen lässt, wurde gemessen: Sie betrug an neun Tagen über 35 Grad Celsius und fällt in die Kategorie „extremer Hitzestress“. Im Vergleich dazu gab es an keinem der vorstädtischen Standorte extreme Hitzestresstage. Unsere Studie hat gezeigt, dass etwa 40 Prozent Anteil an Grünflächen in der bebauten Umwelt einschließlich Rasenflächen, Gründächern und begrünten Wänden den extremen Hitzestress im Sommer auf die Hälfte reduzieren könnten, ohne dass sich der Kältestress im Winter erhöht“, sagt Pauleits Forschungskollege Mohammad A. Rahman.
Weniger Autos und Parkplätze
Stephan Pauleit plädiert für eine gut geplante Nachverdichtung, die die Belange der Freiraumsicherung für Erholung und Biodiversität sowie die Entwicklung von grüner Infrastruktur für die Klimawandelanpassung – also die Vermeidung von Hitze im Quartier und die Schaffung von Möglichkeiten zur Regenwasserrückhaltung und -versickerung – als gleichwertig berücksichtigt.
Dies dürfe nicht erst passieren, „wenn die Flächen schon mit Gebäuden vollgestellt worden sind und die Stellplätze für Autos im Straßenraum und in Tiefgaragen bestimmt worden sind“, mahnt er. Es bedürfe besonderer Mobilitätskonzepte, die den Bedarf an privaten Automobilen in Wohnquartieren verringert. Gemeint ist damit eine Senkung des Stellplatzschlüssels, eine gute Anbindung an den ÖPNV, die Fahrrad- und Fußgängerförderung, eine Platzierung von unvermeidlichen Stellplätzen dort, wo keine alten Bäume gefällt werden müssen und der Verzicht auf Tiefgaragen unter bestehenden Grünflächen.
Das Potenzial für die Schaffung von Grünflächen ist häufig da, sagt Pauleit – wichtig sei die Sicherung und Aufwertung des vorhandenen Grüns. Anbieten würden sich etwa Bereiche, die ursprünglich als Verkehrstrassen freigehalten wurden und die man in Grünflächen umwandeln könne. „In dicht bebauten Bereichen wird aber auch die Straßenraumbegrünung und die Begrünung in Innenhöfen eine wichtige Rolle spielen“, sagt er. Besonders die Erhöhung des Baumbestandes sei dort eine wichtige Aufgabe, um mehr Schatten an Hitzetagen zu schaffen. Auch Dach- und Fassadenbegrünungen schaffen Abhilfe, allerdings gibt es gegen letztere häufig noch Vorbehalte. „Da hilft nur Aufklären und Fördern“, sagt Pauleit – und fordert, Dach- und Fassadengrün bei Neubauten vorzuschreiben.
Marion Brandstetter