Bringt der Wohnbaugipfel die Wende?

Maßnahmenpaket geht Branchenvertretern nicht weit genug

Der Druck auf die Ampel-Koalition nahm in den vergangenen Wochen im Angesicht einer einbrechenden Nachfrage im Gebäudesektor immer mehr zu. Frustrierte Bauwillige sowie wichtige Lobbyisten in der Bau- und Wohnwirtschaft forderten von der Bundesregierung eine verstärkte Förderung sowie eine Entschärfung teurer Energieeffizienzstandards. Druck, der nun Wirkung zu zeigen scheint. Vor dem Hintergrund des Wohnungsbaugipfels am vergangenen Montag im Kanzleramt hat die Bundesregierung ein umfassendes Maßnahmenpaket beschlossen, um die kriselnde Baukonjunktur anzukurbeln. Die Branche begrüßt diese Entwicklung, ist sich allerdings längst nicht sicher, ob die angekündigten Maßnahmen auch ausreichen.

Normalbürger sparen für die Ewigkeit

„Beim letzten Kanzlergipfel wurden insgesamt 155 Maßnahmen angekündigt, und es ist auch nichts Nennenswertes passiert“, gibt sich Florian Becker, Geschäftsführer des Bauherrenschutzbundes, kritisch. Der Baulobbyist fordert die Bundesregierung dazu auf, noch einen Schritt weiter zu gehen und verweist hier auf eine mögliche Senkung der Grunderwerbssteuer, die aktuell von vielen Bundesländern aufgrund zu hoher finanzieller Einbußen abgelehnt wird. Auch eine Förderung von Eigenkapital ersetzenden Darlehen hätte einen großen Effekt. „In Zeiten, in denen Häuser über eine Million Euro und mehr kosten, spart der Normalbürger sein Eigenkapital sonst für die Ewigkeit.“

Im aktuellen Maßnahmenpaket sollen beispielsweise Familien stärker beim Eigentumserwerb gefördert werden. Dazu werden die bisherigen Kredithöchstbeträge um 30 000 Euro angehoben. Auch werden die Einkommensgrenzen für zinsgünstige Baukredite von einem maximal zu versteuerndem Jahreseinkommen von 60 000 auf 90 000 Euro angehoben. Ein dringend notwendiger Schritt, bekräftigt Becker: „Man kann nicht strenge Energiestandards fordern und dann nur Familien fördern, die sich so ein teures Haus niemals bauen würden. Man muss mit so einer Förderung auch Menschen ansprechen, die sich das auch leisten können.“ Kein Wunder scheint es da, dass das Programm bisher kaum Anklang fand. Nur 8,6 Millionen von 350 Millionen Euro, die zur Verfügung stehen, wurden bisher abgerufen. Auch von dem hohen Energieeffizienzstandard EH-40 will sich die Bundesregierung, da als viel zu teuer beim Bau kritisiert, fürs Erste verabschieden. Ein Punkt, den Felix Pakleppa, Hauptgeschäftsführer des Zentralverbands Deutsches Baugewerbe, als positives Signal hervorhebt: „Jedes gebaute EH-55-Haus ist angesichts des Wohnraummangels besser als kein EH-40-Haus.“

Entscheidend sei laut Pakleppa nun allerdings, dass auch das EH-55-Haus entsprechend gefördert werde, um die Nachfrage in Gang zu bringen. So ist der allgemeine Tenor in der Branche: Das Maßnahmenpaket geht zwar in die richtige Richtung, reicht aber allein nicht aus, um die Bauwirtschaft aus der Krise zu führen. Auch Becker verneint die Hoffnung auf eine schnelle Lösung: „Das werden für die Bauindustrie noch mindestens eineinhalb schwere Jahre.“ Christoph Kastenbauer

Ergebnisse des Wohnbaugipfels: Maßnahmenpaket in der Übersicht

Die Bundesregierung will mit einem umfangreichen Maßnahmenpaket den Wohnbausektor aus der Krise führen und legt dafür ein Maßnahmenpaket mit 14 Punkten auf (siehe auch Seite 3). Hier die wichtigsten Punkte in der Übersicht:


• Mehr Förderung

Das Förderprogramm „Wohneigentum für Familien“, das es über die öffentlich-rechtliche Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) schon bisher gibt, wird dafür besser ausgestattet (siehe Seite 3).

„Jung kauft Alt“

Ebenfalls über das KfW-Förderprogramm laufen soll die Initiative „Jung kauft Alt“. Darüber sollen in den kommenden beiden Jahren Anreize geschaffen werden für den Kauf von sanierungsbedürftigen Bestandsgebäuden, die dann energieeffizient umgebaut werden.

Von der Gewerbe- zur Wohnimmobile

Seit der Corona-Pandemie stehen viele Gewerbeimmobilien in innenstädtischer Bestlage leer. Hier sieht die Bundesregierung Potenzial für 235 000 neue Wohneinheiten. Deshalb will die Bundesregierung in den kommenden zwei Jahren ein zusätzliches KfW-Förderprogramm in Höhe von 480 Millionen Euro auflegen.

Geringere Grunderwerbsteuer

Damit mehr Menschen selbst in ihrer gekauften Immobilie wohnen können, schlägt die Bundesregierung eine „flexiblere Gestaltung“ der Grunderwerbsteuer vor, etwa durch höhere Freibeträge. Der Haken: Nicht die Bundesregierung bestimmt Ausgestaltung und Höhe der Grunderwerbsteuer, sondern die Länder. Und die lehnen die vorgeschlagenen Änderungen bisher mehrheitlich ab.

Einfachere Planungs- und Genehmigungsverfahren

Die Planung und Genehmigung von Bauvorhaben dauert viel zu lange, da sind sich fast alle Fachleute einig. Auch die Bundesregierung sieht hier einen wichtigen Hebel. Daher befassen sich gleich fünf der im Papier aufgeführten 14 Punkte mit einer Erleichterung oder Vereinfachung von Planungs- und Genehmigungsverfahren.

Leichtere Abschreibung

Die Bundesregierung plant die leichte Abschreibung von Immobilieninvestitionen. Jährlich sechs Prozent sollen die Bauherren steuerlich geltend machen können. Dabei gibt es zwei Bedingungen: Das Gebäude muss „Wohnzwecken dienen“ wie es in dem Papier heißt. Und der Baubeginn muss zwischen dem 30. September 2023 und dem 1. Oktober 2029 liegen.

Mehr Geld für Sozialwohnungen

Außerdem will der Bund den Ländern bis 2027 mehr als 15 Milliarden Euro für den Bau günstiger Sozialwohnungen zur Verfügung stellen. Zusammen mit den Mitteln der Länder stünden so etwa 45 Milliarden Euro bereit. Ck